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Requiem für Franz Gögele

Predigt von P. Thomas bei der Beerdigungsmesse

Pfarrkirche Meran/Untermais, 21.10.2023

„Liebe Freunde und Bekannte aus Meran und ganz Südtirol, aus Schio, aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und viele andere Länder. Liebe priesterlichen Mitbrüder, liebe Familien auf beiden Seiten, Klotzner & Gögele:

Im Namen unserer Mami und der gesamten Familie möchte ich euch ganz herzlich danken für euer Kommen, für die vielen tröstenden Worte und noch mehr für die vielen Gebete und Messen, die ihr anlässlich des plötzlichen Todes unseres lieben Vati Franz Gögele gehalten oder feiern habt lassen.

Ich spreche wohl für die meisten hier wenn ich sage, dass der Tod unseres Vati ein echter Schock war: so unerwartet aus dem Leben gerissen zu werden… Und trotzdem:  die Umstände seines Todes – während er letzten Freitag bei der von unseren Eltern seit mehreren Jahren etablierten Prozession zum Oktober-Fatimatag auf den Segenbühel noch selber den Kreuzweg vorbetete, und soeben die erste Station zu Ende gesprochen hatte mit einem „Lasst uns nun in Stille weitergehen“ – gerade diese Umstände sprechen mächtig von der unfassbaren Liebe Gottes und der mütterlichen Nähe Mariens.

Welch großartiges Privileg, auf diese Weise zu sterben: noch vor Ort von P. Michael mit dem Krankenöl gesalbt zu werden, und dass dann gleich noch oben in der Segenbühel-Kapelle die heilige Messe gefeiert wurde – ganz sicher von vielen im fürsprechenden Gebet begleitet, auch wenn sie noch nichts Genaueres wussten über seinen Verbleib. Viele Dinge könnte man über unseren Vati erzählen – viel Gutes und wohl auch weniger Gutes (wir kennen es alle) – aber eines nur zählt jetzt: nämlich, dass er glaubte.

Wir sind heute wegen eines Mannes hier versammelt: Ein Mann, der vielen von uns persönlich bekannt ist, und noch viel mehr kennen ihn vom Hörensagen. Ein Mann, von vielen respektiert und geliebt, von anderen belächelt, ignoriert oder verachtet. Ein Mann, bekannt für große Kontroversen, aber auch für unglaubliches Mitgefühl. Dieser Mann ist natürlich … Jesus von Nazareth.

Er ist es nämlich, den wir verkünden: Jesus Christus, der Sohn des Vaters, geboren von der Jungfrau Maria, gekreuzigt, begraben, auferstanden, sitzend zur Rechten des Vaters. Dank ihm, dank seines Lebens, seines Todes und seiner Auferstehung „trauern wir nicht wie diejenigen, die keine Hoffnung haben“ (vgl. 1 Thess 4,13), sondern dürfen wir unseren Vati Franz Gögele der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen!

Die Heilige Schrift sagt: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.“ (Hebr 13,8) Dieser Dreischritt ist das Fundament unseres Gebetes hier und jetzt. Tatsächlich schauen wir heute in diese drei Richtungen: dankbar auf das Gestern; bittend auf das Heute; und voller Hoffnung auf die Ewigkeit.

Wir blicken dankbar auf das Gestern, nämlich auf alles, was bisher geschehen ist, und wir danken für alle Gnaden, die Gott unserem Vati zuteil werden ließ. In den vergangenen Tagen haben viele erzählt, was sie mit Vati erlebt haben oder was er für sie getan hat. Heute wollen wir erzählen, was unser Gott für Vati getan hat, und wie er ihn segnete!

Wir danken vor allem für die Menschwerdung, für den Sühnetod und die lebensspendende Auferstehung Jesu Christi. Unser Herr ist nicht bloß allgemein für uns alle gestorben und auferstanden, sondern für jeden einzelnen von uns. Wir blicken auf das Gestern seines Todes und auf den unwiderrufliche Fakt seiner Auferstehung, und wir danken ihm unendlich, dass er für Vati gestorben und auferstanden ist.

Außerdem danken wir dafür, dass Jesus ihn in der Taufe zu neuem Leben erweckt hat, ihn in der Eucharistie genährt und im Beichtstuhl durch die Worte des Priesters immer wieder geheilt hat.

Wir danken dafür, dass Jesus die Ehe unseres Vati gesegnet und ihm 47 Jahre geschenkt hat mit der Frau, die er liebte – auch wenn wir ihm (oder wir uns alle uns gegenseitig) das Leben wohl auch nicht immer allzu leicht gemacht haben.

Vati war von Gott gesegnet durch einen tiefen katholischen Glauben – aber erst nach einem starken Bekehrungserlebnis in Medjugorje wuchs in ihm die Überzeugung, dass es wichtig war, diesen Glauben wirklich ernst zu nehmen: Jesus ist in der Welt gegenwärtig durch seine Kirche, durch die Sakramente, durch die Eucharistie. Seit dieser Erkenntnis lernte Vati mehr und mehr die heilige Messe und die Eucharistie kennen und lieben. Er vertraute auf die Kraft der Sakramente als Werkzeuge und Baustellen hin zur Erlösung, weil Jesus und der heilige Geist in ihm – langsam, langsam – wirksam wurde für seine Erlösung.

Ich erinnere mich an viele „Vati-Sprüche“; einer davon war „Der Vati hat immer recht“ und manchmal folgte ein „darauf wette ich meinen Kopf“. Und eben diesen hatte er eines schönen Tages wirklich verwettet, weil er nämlich den Ausgang der Plitvicer Seen gegenüber vermutete. Ja, der Ausgang war da, aber eben auf dieser Seite, und somit hatte Vati, dieses eine Mal, tatsächlich seinen Kopf an mich verwettet… Ich hab ihn nie eingefordert – auch wenn ich ihn manchmal daran erinnerte…

Vati war gesegnet von Gott mit einer großen Liebe zum Schutz des Lebens. Vielleicht kam das aus der Erkenntnis, dass sein eigenes Leben ein Riesengeschenk und ein Segen Gottes war. Vielleicht kam es von seinen geliebten Karl-May-Büchern, wo Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi immer auf der Seite der Schwachen kämpfen. Er wusste sehr wohl, dass gerade die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft, die Alten, die Kranken, die Ungeborenen am meisten unsere Stimmen benötigen – Daher setzte er sich mit aller Kraft dafür ein.

Ein wirklich besonderer Segen Gottes – dafür hat die Mami immer gebetet – ist dass Vati, so wie eigentlich unsere ganze Riesenfamilie auf beiden Seiten (wir sind 26 Cousins & Cousinen) ein Familienmensch war durch und durch. Gott segnete ihn mit einer großen Liebe zu seiner Familie. Ja, er hat vieles bewegt, er war ein guter Sportler (zumindest in früheren Jahren, bevor er etwas runder wurde und auch mehrere Ersatzteile eingesetzt bekam…). Er hatte viel Humor, immer einen passenden oder unpassenden Spruch, und war auch im Alter noch für eine Gaudi zu haben, aber das wichtigste für uns – gerade für mich als erstgeborener Sohn – war, dass er uns Vater war.

Meine erste Kindheitserinnerung überhaupt – ich hab das sogar mal einem Psychologen erzählt; ihr wisst schon, die fragen manchmal nach solchen Sachen – ist, dass er mich als Zwei- oder Dreijährigen bei herrlichem Wetter auf seinen starken Schultern über eine grüne Wiese getragen hat. Er war der Vater, den Gott uns für das große Abenteuer des Lebens zugedacht hat. Sicher hat er manchmal seinen Kopf durchgesetzt, oder musste sich schon mal bei Mami entschuldigen wegen irgendeiner Ungeduld, aber er war auch immer auf den Knien beim täglichen Rosenkranzgebet, als wir noch jung waren (und nicht gerade begeistert vom Beten…) Er war da, betend und lebte uns Gottvertrauen vor.

Er liebte uns und versuchte, uns diese Liebe zu zeigen. Und er wollte vor allem den Segen des Glaubens mit uns teilen. Das ist wirklich der größte Reichtum, den Eltern schenken können, und gerade jetzt sind wir besonders dankbar für diesen Glauben

So blicken wir dankend zurück, auf Christus gestern. Wir erinnern uns an all diese Gnaden, und geben unserem Herrn Jesus die Ehre und den Ruhm dafür, denn sie sind sein Werk

Wir blicken auch bittend auf Jesus heute, auf den gegenwärtigen Moment, hier und jetzt, wenn wir um den trauern, den wir lieben und bewundern, den, dessen Abwesenheit uns schmerzt. Heute beten wir für ihn. Wir beten um Frieden für seine Seele, um die ewige Freude bei dir, Herr. Wir danken Gott für seine Güte. Denn wir wissen, dass unser Vati, obwohl sehr gläubig und bemüht, auch unvollkommen und voller Fehler war – so wie wir alle. Er versuchte, Gott und den Nächsten zu lieben, aber wie uns anderen auch, ist es ihm oft nicht so gut gelungen.

Er war seit seiner Bekehrung und seiner Entscheidung, den Glauben ernst zu nehmen und die Beziehung zu Gott täglich zu vertiefen, ein praktizierender Katholik, „praktizierend“ in dem Sinne, dass er noch am üben war. Christus war noch nicht in ihm vollendet. Und nur diejenigen, in denen Christus vollendet ist, kommen in den Himmel. Wir sind also hier, um mit unseren Gebeten und Bitten zu dieser Vollendung beizutragen, zu diesem letzten Werk der Gnade Gottes, das unseren Vati von jeder bremsenden Sünde befreit.

Selbst der bewundernswerteste Mensch der Erde darf uns nicht vergessen lassen, immer für die unerklärliche Barmherzigkeit Gottes mit einem Sünder zu beten und zu danken. Ich denke, das war einer Gründe für Vati’s große Liebe zum Rosenkranz, wo wir ja fünfzigmal beten: „… bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ Wir sind also hier, um Gottes unfassbares Erbarmen für einen Sünder zu erbitten. Für diesen Sünder, für Franz Gögele. Zeigen wir ihm keine falsche, oberflächliche Liebe und lassen wir nicht zu, dass wir vor lauter Bewunderung womöglich nicht für ihn beten! Zeigen wir ihm weiterhin unsere Liebe und tun wir ihm Gutes, indem wir bitten, dass alle Flecken der Sünde weggewaschen und alle Wunden geheilt werden, dass er von allem gereinigt wird, was nicht Jesus Christus ist. Dass Vati in Frieden ruht, und in Freude aufersteht.

Schließlich blicken wir voller Hoffnung auf Jesus in die Ewigkeit. Oder besser, wir denken an unseren eigenen Platz dort, und daran, ob er wohl beim Herrn sein wird. Auch wenn wir für Vati beten, dass er schnell in die ewige Herrlichkeit eingeht, sollten wir an uns selbst denken. Jede Beerdigung erinnert uns daran, wie dünn der Schleier ist zwischen dieser Welt und der nächsten, zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen der Chance zur Umkehr und dem Moment der Wahrheit. Es wäre fahrlässig, ja dumm, dieses Angebot nicht zu ergreifen, uns nicht zu entscheiden, diesen Jesus kennenzulernen, ihm eine Chance zu geben. Wir können nicht unverändert von hier weggehen. Es wäre sinnlos, die Güte und Barmherzigkeit Gottes gegenüber unserem Vati zu feiern, wenn wir nicht selber aufmerksam werden, und auf den Segen Gottes in unserem eigenen Leben antworten. Wir müssen zulassen, dass diese Begegnung mit der Ewigkeit, mit dem ewigen Gott, uns verändert, und wir uns von der Sünde ab- und dem Herrn zuwenden.

P. Bede Jarrett, ein Dominikaner, hat es so augedrückt: „O starker Sohn Gottes: Während du uns einen Platz bereitest, bereite auch uns für diesen glücklichen Platz vor, damit wir in alle Ewigkeit bei dir sein können, und bei denen, die wir lieben.“

Dabei ist es für mich ein großer Trost, und eigentlich ein wunderbares Bild: Wir müssen das nicht alleine stemmen! So wie unser Vati brauchen wir es nur bis zur ersten Kreuzwegstation schaffen: „Jesus wird zum Tod verurteilt“. Denn dann kommt ja die zweite: „Jesus nimmt das schwere Kreuz auf seine Schultern“. Und genau dazwischen … liegt das Geheimnis unserer unbändigen Freude, unserer großen Dankbarkeit, unserer sicheren Hoffnung. Diese Einladung geht heute auch an dich: Lass Jesus in dein Herz – es ist das Beste, was dir je passieren kann, versprochen!

Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit.

Dies ist auch die Struktur der Messe, das größte Gebet, das wir für unseren Bruder Franz ausdrücken können, denn es ist nicht unser Gebet, sondern das Gebet Jesu, unseres Herrn. Die Messe schaut auf Jesus gestern, sie reicht zurück bis zum letzten Abendmahl, zur Kreuzigung, zur Auferstehung, und macht die Kraft dieser gewaltigen Geheimnisse jetzt und hier auf diesem Altar gegenwärtig.

Jesus selbst, der Lebendige, wird nun hier in der Gestalt von Brot und Wein gegenwärtig, damit wir alle unser Gebet des Dankes, der Trauer und der Bitte mit ihm als Opfergabe für den Vater vereinen können. Und das alles mit Blick auf die Ewigkeit, auf den Himmel, wo Jesus uns eine Wohnung bereitet, und wir die christliche Hoffnung haben, Gott selbst zu schauen, und unseren Vati und all unsere Lieben wiederzusehen, und uns mit der ganzen Gemeinschaft der Heiligen zu freuen. 

Hilf uns dazu, Maria. Gelobt sei Jesus Christus, jetzt und in Ewigkeit. Amen.“

(Inspiriert von der Predigt von Fr. Paul Scalia für seinen verstorbenen Vater Antonin Scalia am 20.2.2016)

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