Langsam begann der Geist etwas zu bewegen
Ein Blick von P. George Elsbett LC auf 25 Jahre Legionäre Christi und Regnum Christi in Österreich
Am 8. September (Maria Geburt) 1998 wurde eine Vereinbarung zwischen der Erzdiözese Wien und der Kongregation der Legionäre Christi unterzeichnet. Der Erzbischof stimmte zu, „dass die Mitglieder der Kongregation der Legionäre Christi in der Erzdiözese Wien sich der pastoralen Arbeit in und mit der Apostolatsbewegung Regnum Christi gemäß ihrem spezifischen Charisma widmen und apostolische Initiativen und Werke errichten, betreuen und fördern können.“ Damals wurden einige Bereiche benannt, wie Familie, Jugend, Erziehung, Glaubensbildung, Medien, soziales Engagement, Diözesanpriester und Seminaristen. Später, am 29. Oktober, genehmigte die Ordensleitung die Gründung einer Ordensniederlassung, damals noch in der Zollamtsgasse. Am selben Tag bestätigte die Erzdiözese diesen Schritt, und P. Eamon Kelly als vertretungs- und zeichnungsberechtigt. Am folgenden Tag, also am 30. Oktober 1998, informierte die Erzdiözese das Kultusamt, dass die Kongregation eine Niederlassung errichtet hat, und bat um Bestätigung dieser Verlautbarung, was am selben Tag noch erfolgte.
Wir feiern also 25 Jahre Legionäre Christi und Regnum Christi in Wien. Seitdem ist viel geschehen. Und es war nicht immer einfach. Da waren die ersten Anfänge von P. Eamon und P. Bennet Tierney. P. Eamon ist heute in Jerusalem tätig, P. Bennet in Frankfurt und wegen seiner Tätigkeit bei den von ihm gegründeten „Medical Missions Network“ in der ganzen Welt. Sehr bald kamen die Gottgeweihten Frauen. Die Schule „Maria Regina“ in Wien-Döbling sollte einen neuen Träger erhalten. Schon im November 1998 ist ein Zeitungsbericht zu lesen, in dem von „Unsicherheiten“ seitens Eltern und Schülern die Sprache ist, die durch „Indiskretionen“ ausgelöst worden sei. Die Eltern hatten vom Wechsel aus Zeitungsberichten gehört, bevor die Schulleitung über die Übernahme ausreichend informieren konnte. Darauf folgten schwierige Monate. Wir schafften es sogar auf die Titelseite des „Profil“ und in die Tagesnachrichten des ORF. Die monatlichen Treffen mit besorgten Eltern waren alles andere als „ruhig.“ Es sollte eine dreijährige Übergangsphase geben, langsam beruhigte sich die Situation, aber nie gänzlich. 2002 wurde entschieden, die Zusammenarbeit doch nicht zu verlängern.
Zurückblickend bin ich dafür dankbar. Natürlich kann ich leicht reden. Für die Patres und für die Gottgeweihten, die damals hier arbeiteten, war das alles andere als lustig. Und für die Eltern und Schüler und Schwestern war das auch keine einfache Zeit. Und doch. Ich habe den Eindruck, dass es einfach noch nicht an der Zeit war. Niemand kannte uns. Wir hatten noch wenig Erfahrung mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten dieses Landes. Wir mussten noch so viel lernen. Und heute gäbe es wahrscheinlich kein Zentrum Johannes Paul II., wenn wir die Schule noch hätten … und es ist zudem fraglich, ob wir als Gemeinschaft die nächste Krise, die von 2006, überlebt hätten.
Apropos 2006. Ich war inzwischen in Wien angekommen (Mai 2004). Zu unserer Gemeinschaft gehörten zwar sechs Legionäre (drei Priester und drei Brüder), aber zwei davon arbeiteten in Bayern, zwei in Ungarn und in der Slowakei. Wie sich die Dinge geändert haben! Inzwischen gibt es ein Apostelhaus in Alzgern und in Ratingen, die Apostolische Schule in der Nähe von Köln und eine nicht unbeachtliche Zahl an Priestern und Regnum Christi in Deutschland. Als ich 2004 ankam, gab es einen einzigen Priester, der in Bayern unterwegs war!). Das heißt, die „gefährlichen Legionäre“, von denen die Zeitungen berichtet berichteten, bestanden aus meiner Wenigkeit und einem Bruder in der Ausbildung, P. Jiri Brabec aus dem tschechischen Brno, der heute im Dschungel eines riesigen Missionsgebietes auf der mexikanischen Yukatan-Halbinsel unter den Mayas wirkt. Eines Tages stand ich an der U-Bahn und sah die Nachricht über unseren Gründer auf den Infoscreens.
2006 konnte man den ganzen Umfang der Krise noch gar nicht erfassen. Außerdem waren wir zu Beginn selbst noch alle im Verleugnungsmodus. Nur nach und nach ließ sich die ganze Tragweite der Tragödie verinnerlichen und verarbeiten. Es folgte eine lange, seeeehr lange Zeit der Aufarbeitung, der Reinigung, der Neuausrichtung. Die apostolische Visitation durch fünf Bischöfe, darauffolgend mehrere Jahre Begleitung durch einen Delegaten des Apostolischen Stuhls, Kardinal Velasio de Paolis und einige weitere Experten, die uns der Vatikan zur Seite stellte. Zwei Generalkapitel, Generalversammlungen, neue Konstitutionen, neue Statuten des Regnum Christi, die Gründung der Föderation des Regnum Christi folgten. Und vor allem aber ein Wandel der Kultur. Die innere Arbeit, die jeder machen musste. Die vielen Austritte. Nach Wien hatte man in der Krise mehrere Gottgeweihte Frauen geschickt … bis 2012 die Gemeinschaft aufgelöst wurde, als damals sogar die Hauptverantwortliche wegging. Die Gottgeweihten traf die Krise besonders hart, sie verloren am Ende die Hälfte ihrer Mitglieder. Auch verständlich.
Parallel zur Krise gab es in Wien nach dem gescheiterten Versuch mit der Schule „Maria Regina“ unterschiedliche Versuche, etwas aufzubauen. Zweimal sollte ein Kindergarten gestartet werden. Einmal standen wir sogar kurz davor. Es gab auch immer wieder schöne pastorale Erfahrungen, wie zum Beispiel die Gründung von „Theologie vom Fass“ im „Sparkys“ im Ersten Bezirk 2008, was dann bald Schule machte und sich nach Graz, Linz und Salzburg ausdehnte und sich sogar zu sechs Standorten in Deutschland erweiterte. Ich denke noch an die „FAMILIA“-Kreise oder an die Familientage im Stift Wilhering bei Linz, die wunderbare Arbeit von Norbert Kruijen und seinem Team, NET aufzubauen, besonders die doch sehr segensreichen NET-Sommerlager. Dann denke ich an die ersten Anfänge von P. Thomas Gögele in Wels und den „JUFAZ“ und dann in Asten, seine „Bible Time Line“ Kurse, die ECYD-Arbeit, die zuerst P. Joachim Richter und dann P. Leonhard Maier immer mehr übernahm, mit Hilfe von so vielen von euch. Ich denke auch an die doch schmerzhafte Entscheidung, uns mehr zu fokussieren und uns als Gemeinschaft – mit Ausnahme von P. Thomas – auf Wien zu konzentrieren. Natürlich zugleich mit Dank an unsere Gemeinschaft in Alzgern, dass von dort aus eine Betreuung in Oberösterreich und teils in Salzburg weiterhin gewährleistet werden konnte.
In Wien war das Jahr 2012 sehr entscheidend. Wir hatten bis dahin einige starke pastorale Erfahrungen (wie die Medjugorje-Reisen) und ja viel Gutes, wofür man inmitten der Krisen auch dankbar sein konnte. Und doch. Wenn man ehrlich ist, musste man auch sagen, dass wir in der Stadt ein wenig dahindümpelten. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte unser Dechant in dem Jahr eine einzige Erstkommunion, die außerdem nicht einmal von der eigenen Pfarre kam. Aber dass die allgemeine Glaubenskrise die Gesamtkirche und nicht nur uns erfasste, änderte nichts an der doch etwas frustrierenden Situation. Und mir wurde immer mehr klar, irgendetwas muss sich hier ändern. Damals sagte mir ein Mitbruder aus Rom: „Wenn du immer dasselbe tust, wirst du auch immer dieselben Resultate haben.“ Wir konnten nicht so weitermachen.
Langsam begann der Geist etwas zu bewirken. „Theologie vom Fass“ hatte erste Wurzeln geschlagen. 2012 kam die Gründung der „BeFree“-Messe hinzu. Im ersten Jahr hatten wir irgendwo zwischen 7 und 14 Personen, die regelmäßig zu den Messen kamen. Es war auch die Phase der Neuorientierung meinerseits. Wo ich entschied, täglich zusätzlich eine Anbetungszeit vor der Eucharistie einzulegen. Ich begann mich weltweit für pastorale Konzepte umzuschauen, die sich für das Reich Gottes als fruchtbar erwiesen hatten.
Außerdem las ich eine Menge Bücher zum Thema. Bis heute sind es sicherlich über 40 Bücher. Es war die Zeit, in der viel herumexperimentiert und ausprobiert wurde. Im Sommer 2015 kamen einige weitere Bücher hinzu und langsam entstand eine Vision. Ende August 2015 fand dann die Gründung des Zentrums Johannes Paul II. mit dem heutigen Konzept statt: Eine Gemeinde zu gründen, eine Gemeinde, die der Kirche fernstehende Menschen zur missionarischen Jüngerschaft befähigt.
Im Grunde genommen ging es darum, das zu verfolgen, was wir als Regnum Christi bezwecken: Apostel (missionarische Jünger) auszubilden, aber den Prozess früher anzusetzen – nämlich bei den Fernstehenden. Wir wollten damals dezidiert den Blick nach außen, statt nach innen richten. Wir wollten kein Sammelbecken für fromme Katholiken werden, die sich einfach nach gesunder Lehre und Spiritualität sehnen oder sich von der „bösen Welt“ schützen möchten, sondern ein Nährboden für Menschen werden, die die Welt mit der frohen Botschaft verwandelt sehen wollen. Es ging darum, eine Gemeinschaft von Aposteln aufzubauen, die auf den Geist Gottes hören möchten, sich vom ihm senden lassen. Menschen, die sehr wohl wissen, dass „die Welt“ nicht nur „da draußen“, sondern auch im eigenen Inneren vorhanden ist, die nicht auf andere herunterschauen, die nicht so leben wie man sich das als „guter Christ“ vorstellt, sondern die die Einstellung eines hungrigen Bettlers haben, die anderen hungrigen Menschen davon erzählen, wo es Brot zu finden gibt.
Übrigens, das mit „kein Sammelbecken für fromme Katholiken“ meine ich nicht geringschätzend. Diese Haltung ist verständlich. Und doch lädt uns der Herr ein, Licht und Salz zu sein. Und in diesem Sinne bin ich euch allen sehr dankbar, die wir in diesen Jahren einen gemeinsamen Weg gegangen sind. Besonders möchte ich denjenigen danken, die durch so viele Höhen und Tiefen mitgegangen sind und trotzdem nicht am Plan Gottes verzweifelt haben. Ich hoffe, dass die Krisen uns ein wenig demütiger gemacht, unsere Glaubensproben gefestigt und gestärkt haben. Ich glaube, dass wir auf diese 25 Jahre mit viel Dankbarkeit zurückblicken dürfen. Es ist erstaunlich, wie der Herr sogar aus aussichtslosen Situationen etwas Gutes hervorholen kann. Das macht das Böse und das Schlimme nicht weniger böse oder weniger schlimm. Aber es beweist einmal mehr, wie großartig unser Gott ist. Das gibt Hoffnung. Und heute, wo wir gerade jetzt ein Gebäude zu bauen beginnen, das fast zehnmal so groß ist wie das derzeitige Zentrum, wo wir sehen, wie der Herr trotz unserer vielen Unzulänglichkeiten so viel Gutes bewirkt, wo wir sogar immer mehr andere Gemeinden inspirieren und unterstützen dürfen, möchte ich einfach danke sagen. Danke dem Herrn, danke euch allen! Danke auch besonders an meine Mitbrüder hier in Wien: P. Georg Rota, unserem Oberen, P. Stefan Kavecky, P. Thiemo Klein, P. Mark Thelen und auch P. Thomas Gögele, der sich gerade einem interessanten Projekt in der Stadtpfarre Salzburg St. Martin widmet.
Einen besonderen Dank möchte der Muttergottes aussprechen. Sie begleitete uns in all diesen Jahren. An ihrem Geburtstagsfest, 8. September 1998, wurde die Vereinbarung mit der Erzdiözese Wien unterzeichnet. Fast genau 25 Jahre später, am 12. September (Maria Namen) 2023 kam die Erlaubnis von Rom für die Unterzeichnung des Bauvertrags, am 15. September (Mutter der Schmerzen) 2023 durften wir unterschreiben.
Danke & Gottes Segen!
P. George
(Ursprünglich veröffentlicht am 27. Oktober 2023)